I like drugs – Über Drogen in der Konsumgesellschaft

Wir konsumieren täglich Drogen. In unterschiedlichen Lebenssituationen, zu unterschiedlichen Zwecken und mit unterschiedlichen Erwartungen nehmen wir Substanzen zu uns, die auf verschiedene Art und Weise auf unseren Körper und unsere Psyche wirken.

Begonnen beim Morgenkaffee über die Zigarette in der Mittagspause hin zum Feierabendbier oder einem gediegenen Glas Rotwein; wer es am Wochenende ruhiger mag, raucht Marihuana, mehr Bewegung kommt durch chemische Drogen ins Spiel. Soweit so unspannend. Interessant wird es dann, wenn der individuelle Konsum zu einer gesellschaftlichen Frage wird. Über den Konsum von Drogen lässt sich nur etwas sagen, wenn man auch die Gesellschaft mitdenkt, in der die Drogen konsumiert, aber eben auch verboten werden.

Der Kapitalismus und dein Stoffwechsel

Was und in welchen Bereichen etwas erlaubt wird, ist immer abhängig von der jeweils herrschenden Gesellschaftsordnung.

Dies beginnt schon damit, wenn man definieren soll, was Drogen eigentlich sind. Allgemein werden weiche Drogen wie Alkohol, Tabak und Koffein von harten Drogen wie Kokain, LSD und Ecstasy unterschieden. Dies war aber nicht immer so. Wenn Drogen in bestimmten Bereichen sogar nützlich sind, werden Verbote schnell zur Verhandlungssache: So wurden Amphetamine, die heute eher auf Techno-Partys konsumiert werden, früher als Mittel gegen Stress verschrieben. Ebenso wurde während des zweiten Weltkrieg Soldaten Speed oder Crystal gegeben, damit sie den Kriegsalltag besser ertragen konnten. Im Vietnamkrieg wurde massenhaft LSD eingesetzt, in aktuellen Kriegen wurde dies durch amphetaminhaltige sogenannte „Go-Pills“ ersetzt und durch „Sleeping Pills“ ergänzt: Nach dem Kampfeinsatz sollen die Soldat*innen ja wieder beruhigt einschlafen.

Im Kapitalismus geht es darum, arbeitsfähig zu bleiben und nach dem Kater des Wochenendes wieder einigermaßen frisch am Arbeitsplatz oder in der Universität aufzutauchen. Drogen sollen dies nicht behindern. Beim Thema Drogen und Verbot werden damit implizit kapitalistische Werte und Normen mit verhandelt: Was ist „normal“ und was exzessiv. Darum, wie man sein „Humankapital“ am besten auf dem Markt verkaufen kann und „seinen Preis“ nicht durch übermäßigen Konsum ruiniert. Das individuelle Leben wird so für die Gesellschaft interessant.

Für alle, die sich dieser herrschenden Ordnung nicht beugen können oder wollen, gibt es die gesamte staatliche Palette der Kontrolle, Disziplinierung und Verfolgung: Wer mit illegalisierten Substanzen erwischt wird, wird schnell mal zu einer Verhaltenstherapie verdonnert, mit Geldstrafen belangt oder direkt eingesperrt. Drogen stehen dem gesellschaftlichen Trend zur Selbstoptimierung und dem kapitalistischen Arbeitsethos entgegen.

 

You need the drug

Die Sucht soll das Problem sein, der gesellschaftliche Rahmen wird vergessen.

Wer trotzdem gerne mal eine Tüte raucht oder eine Pille einwirft, wird sofort durch eine repressive Drogenpolitik kriminalisiert. Trotz dieser Politik sind illegalisierte Substanzen jedoch weit verbreitet und ständig verfügbar. Zum einen zeigt dies, wie wenig die derzeitige Politik der Abschreckung und Kontrolle funktioniert, zum anderen hat dies konkrete Folgen für Konsument*innen. Der Konsum wird zu einer Straftat und aus einem vermeintlich „sauberen“ Kollektiv („Wir“, „die Mehrheit“ etc.) ausgeschlossen, sowie aus dem öffentlichen Raum verbannt. Damit werden einzelne Personen  („Die Süchtige“, „Junkies“ etc.) angegriffen, jedoch nicht die Ursachen für die Sucht und den Konsum aufgezeigt. Verbotspolitik verwechselt dabei Ursache und Wirkung und versucht lediglich Phänomene der Sucht aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verbannen. Die Substanzen und die Sucht werden selbst als Problem dargestellt und der gesellschaftliche Rahmen wird vergessen.

Diese zynische Doppelmoral der staatlichen Drogenpolitik wird ein einem Beispiel besonders deutlich: Heroin. Es gilt als die pulverförmige Verkörperung des absolut Bösen und dient gewöhnlich als schlagendes Beispiel für die Schädlichkeit einer Substanz, die Menschen völlig zugrunde richtet. Das Elend der Konsument*innen ist zu weiten Teilen aber auch Folge der staatlichen Drogenpolitik. Unter Schwarzmarktbedingungen gibt es Heroin nur sehr gestreckt und mit stark schwankendem Reinheitsgrad. So wissen Konsument*innen meist nichts über die Dosierung, was schnell einer tödlichen Überdosis führen kann. Darüber hinaus drängen die unvorstellbar hohen Preise Konsument*innen oft in Beschaffungskriminalität und führen zum finanziellen Ruin. Wer dafür einzelne geldgierige Dealer*innen verantwortlich machen will, vergisst die vielen Zwischenhändler und Sicherheitsvorkehrungen, die nötig sind um der staatlichen Verfolgung zu entgehen.

Put the pipe down?

Es bedarf einer Auseinandersetzung mit Konsum, die Konsument*innen in ihren Handlungen ernst nimmt und gesellschaftliche Zustände mitdenkt. Dadurch würde klar, dass Sucht nicht nur pathologisch, sondern vor allem sozial bedingt ist.

Sucht ist nicht nur pathologisch, sondern vor allem sozial bedingt.

So unterschiedlich der Konsum für die einzelnen Individuen auch sein mag, leben wir in einer Gesellschaft, die Drogenkonsum fördert.  Es geht also darum, eine Gesellschaft zu bauen, in der Freiräume für Menschen im alltäglichen Leben vorhanden sind und nicht erst durch Drogen geschaffen werden müssen.

Bis dahin gibt es aber noch viel zu tun. Nötig wäre zum einen die Ausweitung und Aufstockung von Maßnahmen mit präventiven und therapeutischen Charakter, sowie von Beratungsstellen und Sozial- und Rechtsberatung. Flächendeckende Drug-Checking-Angebote, wie sie in der Schweiz und in Spanien angeboten werden, könnten auch hier Substanzen auf Qualität und mögliche Verunreinigungen untersuchen. Doch zeigen beispielhaft die unendlichen Debatten um den Drogenhandel und einen möglichen Coffeeshop im Görlitzer Park in Berlin, wie weit die offizielle Politik noch von einer liberalen Drogenpolitik entfernt sind, die sich einer Stärkung der Konsument*innen widmet und Drogennutzung Schritt für Schritt entkriminalisiert und legalisiert. Darauf erstmal eine Tüte.

Gastautor: Christopher Wimmer fragt sich, warum die Welt so eingerichtet ist, wie sie ist und zweifelt stark daran, dass es alles so bleiben muss. Hin und wieder schreibt er darüber in verschiedenen Zeitungen. Mehr: https://www.facebook.com/christopherwimmerschreibt/

Beitragsbild: CCO Acer Koculu (unsplash)

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