Arbeitsfreieres Leben selbstgemacht

Wer will schon auf die Roboter warten? Die meisten Menschen haben wenig Lust auf den Montag. Der Wochentag kann nichts dafür – die Arbeit ist schuld. “Es geht ganz ohne!” meint der Tobi Rosswog.

In der Woche an das Wochenende denken, in der Arbeitszeit dem Urlaub entgegen zu fiebern und irgendwann auf das Rentenalter zu warten – das missfällt immer mehr Menschen. Die heutigen Berufseinsteiger wollen nicht unbedingt Karriere machen.

Doch alle dieser deutschland- weiten Studien der letzten Jahre wurden in einer Zeit großer wirtschaftlicher Sicherheit und materiellem Wachstum  angefertigt. Wäre die Lust auf Karriere auch so gering, gäbe es eine wirtschaftliche Krise? Und führt ein „Job mit Sinn“ nicht zur gänzlichen Auflösung von Lohnarbeit, Privatleben und vielleicht gar Engagement?

Tobi Rosswog geht mit seinem neuen Buch „After Work – Radikale Ideen für eine Gesellschaft jenseits der Arbeit“ einen Schritt weiter: Für ihn ist die Karrieremüdigkeit nicht an das Wirtschaftswachstum gebunden und „Jobs mit Sinn“ im derzeitiges Lohnarbeitssystem gibt es nicht. Er beschreibt, warum uns Arbeit krank und die Umwelt kaputt macht. Und nennt Lösungen von Jobsharing bis Kollektivarbeit. Es folgt ein Textauszug aus seinem Buch:

Arbeit macht krank. Die WHO zählt beruflichen Stress mittlerweile zu den »größten Gefahren des 21. Jahrhunderts«. Der Medizin-Nobelpreisträger Thomas Südhof unterstreicht: »Wir sind nie mehr unerreichbar, nie außer Dienst. Per Mail stehen wir quasi minütlich im Kontakt zu unserer Arbeit. Das kann auf Dauer nicht gut sein.« Rund um die Uhr erreichbar zu sein, führt laut einer Studie der Erasmus-Uni Rotterdam zu Burn-out bei vielen Arbeitgeber*innen.

In Studien wie den »Global Benefits Attitudes« gibt ein Drittel der Befragten an, von großem Druck und Stress belastet zu sein. Laut der Studie führt das zu mehr Disengagement (Teilnahmslosigkeit), innerer Kündigung (mangelnde Arbeitsmotivation und Minimierung des Arbeitseinsatzes) und größeren Ausfällen. Gemäß des DAK-»Psychoreports« haben Krankschreibungen wegen psychischer Beschwerden ein neues Rekordniveau erreicht.

 

Demnach sei jede vierte Person im Laufe des Lebens einmal psychisch erkrankt. Das liegt auch an dem hohen Geräuschpegel, der besonders in der Käfighaltung namens Großraumbüro bei bis zu 70 Dezibel steht – vergleichbar mit einem Rasenmäher…

Wie gut, dass es das Konzept der Work-Life-Balance gibt, das uns einen Ausweg zur Regeneration bereithält. Dieser Ausweg ist allerdings trügerisch: Die dahinterstehende Logik ist, dass Du Dich in Deiner Freizeit nur fit genug halten musst, um Dich diesen unzumutbaren Arbeitsumständen weiter aussetzen zu können. Wie so oft wird dabei versucht, an Symptomen herumzufeilen, ohne die Ursachen wirklich zu verändern. So gehst Du nach dem harten Arbeitstag ins Fitnessstudio oder den Yoga-Kurs, um am nächsten Tag genauso weiterzumachen. Ab und zu brauchen wir dann noch unser Spa-Wochenende, um uns runterzubringen, sowie einen möglichst perfekten (teuren) Urlaub, um unsere Kräfte wieder zu sammeln, die wir dann im Laufe des Jahres wieder an die Arbeit abgeben können. Anders geht es heutzutage nicht mehr. Allerdings erlebte Friedrich Nietzsche, und damit ausgerechnet jemand, der als Philosoph doch Zeit zum Nachdenken brauchte, das bereits vor rund anderthalb Jahrhunderten so:

» Die Arbeit bekommt immer mehr alles gute Gewissen auf ihre Seite: der Hang zur Freude nennt sich bereits ›Bedürfnis der Erholung‹ und fängt an, sich vor sich selber zu schämen. ›Man ist es seiner Gesundheit schuldig‹ – so redet man, wenn man auf einer Landpartie ertappt wird. Ja es könnte bald so weit kommen, daß man einem Hange zur vita contemplativa (das heißt zum Spazierengehen mit Gedanken und Freunden) nicht ohne Selbstverachtung und schlechtes Gewissen nachgäbe.«

In weiteren Kapiteln beschäftigt sich Tobi Rosswog etwa mit der protestantischen Arbeitsethik oder unserem Verständnis von Leistung – auch die Verbindung von Arbeit mit Gehorsam und Moral beschreibt er: “Sobald ich arbeite, verschmelze ich mit einer Funktion und bin nur noch der Arbeitgeberin verpflichtet; mein eigenes Gewissen lasse ich am Kleiderbügel hängen. Damit ist Gleichgültigkeit verbunden:

Hauptsache, ich schaffe es, mein Leben zu finanzieren. Der Stempel »Ich arbeite, …« entbindet mich nicht von jeglicher Verantwortung. »Ich arbeite« schafft einen Freiraum, der beinahe alles gesellschaftlich akzeptabel macht – und sei es, Waffen zu produzieren oder Atomkraftwerke zu konstruieren.“

12 Schritte zu einem Arbeitsfreien Leben

Ein Auszug aus dem Buch von Tobi.

#1 Informieren: Was interessiert dich besonders beim Thema Arbeit, was nimmst du in deinem eigenen Arbeitsleben wahr?

#2 Reflektieren: Was machst du? Für wen machst du es? Was würdest du tun, wenn Geld keine Rolle spielt?

#3 Minimieren: Entrümpel Neid, Konkurrenzdenken, Selbsthass und auch deine Wohnung: Was brauchst du wirklich?

#4 Kommunizieren: Frag deine Kolleg*innen und Freund*innen, wie es ihnen geht. Bring deinen Nachbar*innen ein Stück Kuchen. Teile deine Erfahrung des Minimierens.

#5 Kreieren: Bilde eine Nutzungsgemeinschaft für Werkzeug, Fahrradanhänger und anderes. Trete für freien Nahverkehr oder engagiere dich in einer Offenen Werkstatt, initiiere eine Solidarische Landwirtschaft oder was immer sonst dich reizt.

#6 Pausieren: Ruhe ist gesund und lässt deinem Gehirn die Zeit, kreativ und fantasievoll zu werden. Wann warst du das letzte Mal im Wald? Wann hast du dir das letzte Mal Zeit genommen und warst mit dir alleine, um Stille zu erfahren

#7 Integrieren: Besuche regelmäßig Veranstaltungen, Vorträge oder Gruppen, in denen Du aufblühen kannst. Integriere deine Ideen in Deinen Alltag und etabliere neue Gewohnheiten, die dir gut tun.

#8 Boykottieren: Hör auf, Dinge zu tun, die du nicht vertreten kannst. Arbeite weniger. Konsumiere weniger. Leiste weniger.

#9 Solidarisieren: Unterstütze etwas, das Dich bewegt und überlege dafür, ob du lieber Zeit oder Geld schenken willst.

#10 Dekonstruieren: Zeig ihnen, wie gut dir Dein Leben gelingt oder was dir schwerfällt, teile deine Vision mit ihnen, nimm sie mit in Deine Gruppen.

#11 Zelebrieren: Mache kurze Dankbarkeitsrunden in Deinen Gruppen oder schreib das, was Dich an dem Tag bewegte, für Dich alleine in ein »Dankbarkeits- und Aha-Momentheftchen«.

#12 Etablieren: Kannst Du Dir vorstellen, in eine Kommune zu ziehen, eine Gemeinschaft zu gründen oder Dich auf eine andere Weise kollektiv zu organisieren?

 


Text: Marius Hasenheit, transform Magazin

 

 

Buchauszug: Tobi Rosswog (Foto: Manoel Eisenbacher). Der freie Dozent, Autor und Aktivist lebte zeitweise geldfrei, organisiert Konferenzen, wirkt in Kollektiven und schreibt Bücher. Mehr über seine Tätigkeiten lässt sich auf seiner Homepage erfahren.

 

Beitragsbild & alle Illustrationen: Kathrin Rödl für transform Magazin. Die Illustratorin glaubt an die Macht von Zeichnung und Ideen. Das Komplexe richtig vereinfachen und das Wichtige visualisieren ist ihre Mission. Mit ihren konzeptionellen und verspielten Arbeiten sorgt sie für den visuellen Kick und mehr Aufmerksamkeit für die Inhalte. Sie beschäftigt sich mit der Informationsvermittlung durch Bild und Text auch beim Graphic Recording und Sketchnoting. Neben Illustrationen macht Kathrin Rödl leidenschaftlich Comics und Zines im Indie Bereich.

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