Gutes Leben, aber nicht für alle

Wasserfall im Schwarzen Wald.
Wasserfall im Schwarzen Wald.

Sie behaupten „Ökologie ist Heimatliebe“ und “das Bier soll helfen”. Rechte Ökonomen entdecken die Wachstumskritik für sich. Unsere beiden Autoren sagen: wir brauchen lokales Handeln und globale Solidarität statt Abgrenzung und nationale Lösungen.

Wachstumskritik ist doch links, oder? Und wenn nicht links, dann aber auf alle Fälle emanzipatorisch und progressiv? Nicht immer. Umweltbewegungen und Wachstumskritik haben eine rechte Geistesgeschichte.

„Das Bier soll helfen.“

„Edles Bier und guter Sinn sind in unsern Flaschen drin“, steht auf dem Logo von Pils Identitär. Ja, es gibt ein von der rechten Gruppierung „Die Identitären“ gebrautes Craft Beer. Mag es auch erst mal eher lustig wirken, dass der identitäre Sinn in der Bierflasche zu finden sein soll, so bleibt einer das Lachen doch bei näherer Betrachtung im Hals stecken. „Unser Ziel ist die Schaffung einer echten Gegenkultur“, schreiben die fleißigen deutschen Brauwichtel. „Das Bier soll helfen.“

Eine echte Gegenkultur, das heißt in der Sprache der Identitären nichts anderes als: es soll in Deutschland endlich wieder üblich werden, sich von linken und liberalen Motiven abzuwenden und stolz dazu zu stehen, dass man nur den Angehörigen des eigenen Stammes gegenüber solidarisch ist. Neu ist dabei nur, dass sich die Rechte der Strategie bedient, Sprachmuster aufzugreifen, die aus linken Revolutionsbewegungen stammen, die einmal Freiheit und Anerkennung gefordert haben und das gute Leben für alle.

Die Rechten und der Umweltschutz: frühe Liaison

Das gute Leben, das wollen die Rechten auch, und dazu muss der Planet erhalten werden. Allerdings sehen sie sich nicht in der Verantwortung für alle. Das unterscheidet rechtes Sprechen über das gute Leben, über Ökologie, Postkapitalismus und Postwachstum, von linken und liberalen Sprechweisen. Deutliche Markierungen sind etwa: unsere Leute, das Eigene. Patriotisch, lokal, heimisch – das sind für Identitäre die Marker, die Ökologie und Wachstumskritik an ihre eigenen Kernwerte anbinden. Und das nicht erst seit gestern. Die Rechten waren von Anfang an bei den neuen sozialen Bewegungen der 70er und 80er Jahre dabei. Ein prominentes Beispiel ist Werner Georg Haverbeck, der Gründer des „Collegium Humanum“, einer Akademie für Umwelt- und Lebensschutz.

Hier trafen sich schon in den 70ern die Anhänger der Neuen Rechten und der Ökologiebewegung. Die NPD erarbeitete dort 1979 ihr „Ökologisches Manifest“. Die Ökologisch-Demokratische Partei, die sich 1982 von den Grünen abgespalten hatte, tagte dort und die Haverbecks gehörten zur Friedensbewegung. 2008 wurde die Akademie wegen Holocaust-Leugnung verboten. Ursula Haverbeck wird bis heute in regelmäßigen Abständen für selbige verurteilt.

Das „Gefühl für das Authentische“

„Ökologie ist Heimatliebe“, das ist die zentrale Formel der ökologischen Rechten. Das Gegenprogramm ist „das System“. Die Vordenker dazu stammen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, als sich Zivilisationskritik und Technikkritik in der Philosophie durch alle Lager zog. Das schlug sich auch nieder in Bewegungen wie der Heimatschutzbewegung, der Lebensreformbewegung, völkischen und anthroposophischen Naturschutzbewegungen und der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die auf Rudolf Steiner zurückgeht. Die Heimatschützer kritisierten Technik und Ökonomie, Straßen und Städte und die „Dekadenz“. Sie wollten zurück aufs Land, zurück zur „unverdorbenen“ Natur. Auch im Nationalsozialismus war Naturschutz und Tierschutz wichtig, wurde romantisiert und mit Heimat, Boden und Authentizität verbunden.

Natürlich heißt das alles nicht, dass nun die Postwachstumsbewegung das Problem ist.

Diese romantisierende Sprache ist bis heute auch für Nicht-Rechte attraktiv. Mit ihr lässt sich sentimental überdecken, dass in manchen sozialen Bewegungen bis heute marktliberale und sozialdarwinistische Muster verknüpft werden. So sagte kürzlich ein Vertreter des bedingungslosen Grundeinkommens, Richard David Precht, in einem gemeinsamen Interview zu Christoph Butterwegge: „Ich möchte nicht, dass jemand, der 1500 Euro Grundeinkommen hat und keine Perspektive auf einen Beruf, auf die Idee kommt, fünf Kinder zu kriegen.“ In seinem gerade erschienenen neuen Buch „Jäger, Hirten, Kritiker“ schreibt Precht: „Gefühlsdimensionen wie ›Heimat‹, ›Natur‹, ›Ursprünglichkeit‹, ›Authentizität‹, ›Geborgenheit‹ und so weiter sterben aus.“

Jeder ist für sich selbst verantwortlich

Precht ist sicher kein Rechter, aber er bedient hier rechtsoffene Muster und Strukturen, die in dieser Verknüpfung problematisch sind. „Das macht es auch so schwierig“, sagte Lukas Nicolaisen von der Fachstelle für Naturschutz und Rechtsextremismus in einem Interview mit der taz. „Die Themenfelder sind nicht per se rechts, aber wenn man genau hinschaut, kann man rechte Ideologien finden.“

Gerade in der Wachstumskritik treffen sich zwei dieser problematischen Muster: eine verkürzte Zinskritik nach dem Sozialdarwinisten Silvio Gesell, der soziale Probleme auf eine Beherrschung des Geldumlaufs zurückführen wollte, ansonsten jedoch dem freien Markt anhing, und das Konzept der „Überbevölkerung“ oder des ungebremsten Bevölkerungswachstums. Die Überbevölkerung wird häufig auf den Globalen Süden projiziert und erhält dabei schnell einen rassistischen Anstrich. Verbinden sich liberale und sozialdarwinistische Muster, so entsteht das Precht-Argument: Jede*r ist für sich selbst verantwortlich – und die Gesellschaft will sich nur so viele Menschen leisten, wie sie braucht.

Natur statt Freiheit

Ein wichtiges Merkmal rechter Ökologie ist der Naturbegriff. Der Mensch wird nicht in erster Linie über seine Freiheit und seine moralischen Entscheidungen definiert, sondern über sein Eingebundensein in die Natur. Die Natur hat ihre eigenen Gesetze, denen der Mensch entsprechen muss. Er ist selbst Teil der Natur. Darum sind hier auch immer naturalistische und biologistische Sichtweisen vertreten. „Die Natur“ wird dabei als etwas in sich Gutes angesehen, gegen das man sich nicht wenden sollte, und sie bringt in dieser Logik auch das deutsche Wesen hervor.

„Wer ökologisch lebt, der muss zwingend auch mit seinem Boden verbunden sein, der muss sein Land kennen, der muss sein Volk lieben“, sagt der rechte Ökologe Philip Stein. Diese Verbindung mit dem Boden, aus dem man die Kraft zieht, der Mutter Erde, trägt der rechtsextreme Antaios-Verlag beispielsweise schon im Namen. Und Stein fährt fort: „Dieser kleine Schritt fehlt, um zu begreifen, dass das Ökologische eigentlich eine rechte, ja man könnte völkisch sagen, dass es eigentlich eine heimattreue, eine nationale Bewegung ist.“

Die „Megamaschine“ – Wachstumskritik mit rechten Narrativen begründet

Das Gegenmodell zur Mutter Erde mit ihren organischen Kreisläufen ist die Maschine. Der bereits erwähnte rechte Ökologe Philip Stein bezieht sich in seiner Kritik der Wachstumsideologie auf den Schriftsteller Lewis Mumford, der in den 60er Jahren seinen „Mythos der Maschine“ schrieb. Mumford beschreibt die westliche und die sowjetische Zivilisation als eine „Megamaschine“, die zugleich eine Propagandamaschine ist: quasi eine Vorform der „Lügenpresse“. Bei dieser Metapher der alles verschlingenden Megamaschine auf der einen und der guten Natur auf der anderen, die nur geschlossene Kreisläufe hat, überschneiden sich rechte und linke Szenarien der Wachstumskritik. Die Metapher selbst ist nicht dezidiert „rechts“, aber vor diesem Hintergrund doch fragwürdig, indem sie verabsolutiert und dämonisiert. Ein kleines Video zur Wachstumskritik, das von attac und der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wurde, bedient sich genau dieser Metaphorik.

Wie sehr sich die Rechten über linke Megamaschinen-Kritik und manche umweltpolitischen Forderungen freuen, wird momentan beim Bienenschutz deutlich. In der Debatte um das mutmaßlich krebserregende und vor allem Biodiversitäts-zerstörende Herbizid Glyphosat bemühten die Rechten gern das Bild der „Mensch und Natur vergiftenden“ Elite in Berlin, Brüssel und den Chefetagen einiger Chemiekonzerne. Ihre Vorschläge, wie eine Agrarwende aussehen könnte, sind jedoch noch dürftiger als ihre Kenntnisse von Insekten, Agrarchemikalien und Biodiversität.

Ihre Versuche, Bienenvölker mit Nationen zu vergleichen, sind eh schon daneben, weil Menschen – und schon gar Konstrukte wie „Nationen“! – nun mal nicht einfach nur „Teil der Natur“ sind. Aber selbst wenn diese Vergleiche Sinn machen würden, ergeben sie noch nicht einmal die gewünschten Bilder. So wird auf neurechter Social Media gerne mal behauptet, dass Wächterbienen Eindringlinge abhalten und dass Bienenschwärme daher genetisch homogen sind – völliger Quatsch. Jede Bienenkönigin trägt die Samen unterschiedlicher Drohnen – weshalb ein Bienenschwarm bunt ist!

Postwachstum von rechts abgrenzen – wie geht das?

Wo lokales Handeln auf globale Solidarität trifft, kriegen wir eine Postwachstumsbewegung ohne Rechtsdrall hin.

Natürlich heißt das alles nicht, dass nun die Postwachstumsbewegung das Problem ist – sondern nur, dass es lohnt, sich Gedanken über die Art der Metaphern und Argumente zu machen, die man verwenden möchte. Einen sehr guten Kurzüberblick über die Vermischung rassistischer, romantisierender und autoritärer Denkfiguren in vielen Teilen der Postwachstumsbewegung gab schon Peter Bierl inklusive des Hinweises: „Die Degrowth-Bewegung versteht sich mehrheitlich als links, die meisten Vertreter grenzen sich nach rechts ab […]. Dennoch gibt es Positionen in der Bewegung, die nach rechts tendieren oder selbst rechts sind.“ Wo finden sich die Anknüpfungsmöglichkeiten?

Der Wissenschaftler Matthias Schmelzer unterteilt die Postwachstumsströmungen in fünf „Arme“. Ein feministischer „Arm“ wird etwa vertreten durch Adelheid Biesecker, ein sozialreformerischer durch Angelika Zahrnt, ein suffizienzorientierter durch Niko Paech, ein kapitalismuskritischer durch Ulrich Brand und ein konservativer, den beispielsweise Meinhard Miegel vertritt. Diese Denkrichtungen argumentieren natürlich unterschiedlich und setzen auch unterschiedliche Prioritäten. Dabei sind Kapitalismuskritik und Konservatismus natürlich auch in rechten Strömungen vertreten, so dass hier auch Vereinnahmungen drohen. Eine feministisch geprägte Postwachstumsbewegung setzt sich diesem Risiko wahrscheinlich weniger aus.

Es geht nicht um Spaltung durch gegenseitige Vorwürfe.

Wer sicher gehen möchte, indirekt nicht Wasser auf die Mühlen rechter Gruppe zu gießen, kann sich folgende Fragen stellen:

  • Positioniert sich meine Gruppe klar gegen Rassismus und Nationalsozialismus?
  • Argumentieren wir mit (globalen) Gerechtigkeitsforderungen (etwa Klimagerechtigkeit)?
  • Wird eine Gruppe Menschen gegen eine andere ausgespielt?
  • Werden Eigenschaften und Verhaltensweisen auf ganze Gruppen projiziert? Oder gehen wir davon aus, dass sich bei veränderten Lebensbedingungen auch das Verhalten ändern kann?
  • War es früher wirklich besser? Werden alte Zeiten romantisiert?
  • Wird auf „natürliches“ Verhalten zurückgegriffen oder gar auf „Instinkte“?
  • Lässt sich der Gegner externalisieren? Wird ein Sündenbock gefunden, oder wird mit einer Änderung der Verhältnisse argumentiert?
  • Ist die Moderne böse – oder lassen sich (im Sinne Marcuses) auch Wege finden, mit Technik und Maschinen das gute Leben für alle zu fördern?

Es geht nicht um Spaltung durch gegenseitige Vorwürfe. Aber eine freiwillige Selbstreflexion ist wichtig. Wer die Geschichte seiner Bewegungen kennt, wiederholt nicht ständig alte Fehler. Wo lokales Handeln auf globale Solidarität trifft, kriegen wir eine Postwachstumsbewegung ohne Rechtsdrall hin.

 


Titelbild: Sandra Ahn Mode , CC0 unsplash
Text: Marius Hasenheit, Viola Nordsieck

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