Anleitung zum Blaumachen

pause10 praktische Tipps für stilvolle Arbeitsvermeidung.

Profis der kleinen und großen Pause erkennen an dieser Stelle sofort: Es muss unterschieden werden zwischen den kleinen, feinen Pausen und den großen Auszeiten.

 

Fangen wir mit den kleinen Pausen zum Luft holen an. Naja, Luft und Rauch:

1. Die Raucherpause

Verlängere dein Raucherpause durch Dehn- und Streckübungen davor und danach. Lerne zu drehen. Das Drehen der Zigarette wird als Moment des sozialen Gesprächs, aber auch als zweckdienliche Aktivität wahrgenommen. Nutze die gesellschaftliche Akzeptanz der Raucherpause und warte nicht erst auf eine sich durchsetzende Bier- und Weinpause. Du rauchst nicht? Umso besser! Spiele ausgiebig und regelmäßig mit deinem Jojo in der Raucherecke und behaupte, es würde dir helfen mit dem Rauchen aufzuhören.

 

kopierer

2. Der Kopierraum

Der Kopierraum war schon immer ein Refugium der vorgetäuschten Arbeitsamkeit. Wirkt es auf den ersten Blick so, als würden hier Dokumente im Akkord gedruckt und vervielfältigt werden, so wird tatsächlich der Kopierer in erster Linie beschimpft, getreten und davor oder danach repariert. Stelle dich einfach zu dieser geschundenen Maschine, sortiere einseitig bedrucktes Papier aus dem Papierkorb heraus und behaupte, Schmierpapier zusammenzustellen. Das wirkt konsequent effizient und zudem ökologisch. Völlig egal, dass bei einer konsequenten Umsetzung so ziemlich jeder Mensch in Deutschland pro Kopf etwa 3 Kubikmeter Schmierpapier hätte. Sollte deine Firma oder dein Arbeitgeber jedoch 10 Laserdrucker in einen Raum gestellt haben, die vor sich hin drucken und Feinstaub verteilen, greif lieber auf andere Tipps zurück. Ansonsten könntest du auch mit dem Rauchen anfangen (siehe Punkt 1).

 

 

3. Die Ferien im Inneren bei geschlossenen Augen

Schalte einfach mal ab. Beobachte zuvor, mit welcher Miene du besonders aufmerksam wirkst und trainiere, diese Mimik auch bei geistiger Abwesenheit auf Knopfdruck aufzusetzen. Nutze verschiedene typische Wörter und Füllwörter, solltest du in einem „Meeting“, Vortrag oder ähnlichem sitzen und angesprochen werden. Mache im Kopf einfach mal Pause oder etwas anderes. Auch dieser Artikel entstand in verschiedenen, inneren Pausen.

 

 

4. Einstellung ändern

Zugegeben: Das klingt jetzt etwas schwammig. Aber es geht hierbei nicht nur um eine entspannte Einstellung zu Deadlines und eine bewusste Auflehnung gegen Arbeit als Selbstzweck und oberstes Ziel. Erkenne den wahren Umfang deiner Arbeit. Kinder von der Schule holen, Oma besuchen, der Nachbarin etwas vom Bäcker mitbringen, Marmelade machen: All das ist Arbeit. Nur bezahlte Lohnarbeit als Arbeit anzusehen wäre etwas zu kurz gedacht. Profis der Selbsteinschätzung müssen an dieser Stelle ihre nicht-bezahlte Arbeit gar nicht erst bezahlen, um einen Wert zu erkennen. Anschließende Pausen können mit der Anerkennung und Wertschätzung der unbezahlten Arbeit besser gerechtfertigt werden – nicht zuletzt vor dir selber.

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5. Geschäftig umherlaufen

Ist der Ort deiner Arbeit auf mehrere Stockwerke verteilt, lädt dies zu Spaziergängen ein. Hole Druckerpapier (Blatt für Blatt), gieße die Blumen (Blume für Blume), hole mal den benötigten Bleistiftanspitzer von einem völlig anderen Stockwerk. Auch brauchst du so, im Gegensatz zu deinen ausgebrannten Kollegen und Kolleginnen, weder Tai chi noch Yoga. Treppensteigen ist ein sehr effektives Workout!

 

 

6. Computerupdates

Nutze die Macht des Zwanges, auf dem aktuellen Stand sein zu müssen, gegen ihn! Update deinen Computer Programm für Programm. Rege eine neue Firewall und die Installation verschiedener Schutzprogramme in der Firma an. Denke auch an die Pausenbedürfnisse deiner Kolleginnen und Kollegen.

 

 

7. Zwillinge, Doppelgänger und humanoide Roboter

Nein, tut mir leid, das alles wird schwierig. Aber immerhin: Rund 11.500 Zwillinge, Drillinge oder Vierlinge kamen 2011 in Deutschland zur Welt. Jedes 29. Baby hat laut dem Statistischen Bundesamt inzwischen mindestens einen verdammt ähnlich aussehenden Bruder oder Schwester. Die Anzahl nimmt, vermutlich aufgrund der zunehmenden künstlichen Befruchtungen und Hormonbehandlungen, zu. Solltest du eine sehr arbeitsame, aber arbeitslose Zwillingsschwester oder -Bruder haben: Glück gehabt! Die Sache mit den humanoiden Robotern lässt nämlich etwas auf sich warten (siehe Artikel „Ende der Arbeit?“).

 

8. Remote Office – (kl)eine Arbeit von zu Hause

Zwar vermuten manche Soziologen (Habermas und Co.) hinter dem Arbeiten von zu Hause aus die fatale Auflösung der Trennung von Arbeit und Privatleben und eine arbeitsame Effizienzsteigerung durch alle Bereiche hinweg. Doch aufgrund meiner Beobachtung vermute ich eher, dass der geheim gewählte Rat der Hängemattenproduzenten die Etablierung des „Home/Remote Offices“ voran treibt. Mails werden unregelmäßig aus dem Lieblingscafé beantwortet – ganz Allgemein: Solltest du in irgendeiner Form online sein müssen, lohnt eventuell trotz Konsumkritik und Ressourcensparsamkeit die Anschaffung eines Smartphones oder Internetsticks.

Soweit so gut. Das sind bisher nur kleine Maßnahmen. Kommen wir nun zu den größeren Pausen, die natürlich teilweise auch aufwändiger sind. Aber keine Sorge: Das wird nicht in Arbeit ausarten!

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9. Krank feiern

„Krank machen“ ist die Mutter aller selbst geschaffenen Pausen. Vor einer Matheklausur in der 8. Klasse erstmals erprobt, sind Anfangzwanziger dann teilweise Meister dieser Form der Pause. Es mag ein Privileg sein, eine Ärztin oder einen Arzt zu kennen und vom eigenen Anliegen überzeugen zu können. Doch auch ohne Bekanntschaft mit einer Vertreterin oder einem Vertreter dieses hoffnungslos überarbeitenden Berufsstandes, kannst du eine Lösung finden. Blutdruck durch Schnappatmung, Infektion durch einen Tropfen Blut in der Urinprobe – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Versuche nicht rot zu werden, wenn du deine Chefin oder deinem Chef in der Kneipe begegnest – es sei denn, du gibst vor Bluthochdruck zu haben.

 

 

10. Langer, unbezahlter Urlaub, Kündigung

Vorsicht: Diese Maßnahme ist etwas für die Profis unter den Arbeitsverweigerern. Minimiere deine Ausgaben, also deinen Konsum und deine Wohnfläche. Rette Lebensmittel (lebensmittelretten.de) und kaufe höchstens Dinge aus Secondhandläden. Bewohne im Sommer die Ferienwohnung eines entfernten Verwandten oder erkläre dich für wohnungslos (nicht heimatlos) und reise! Obacht: solltest du dich arbeitslos melden wollen, solltest du damit rechnen, in Zuckerbrot-und-v.a-Peitschen-Nähe des Amtes sein zu müssen. Dies gilt es genau zu überdenken.

Eine lange Auszeit kann auch ein Sabbatjahr/Sabbatical sein. War diese Auszeit mit Wiedereinstellungsgarantie früher dem öffentlichen Dienst und dem akademischen Bereich vorbehalten, gibt es diese Form von Auszeit in immer mehr Branchen.

Und jetzt los: mach mal Pause!

 


 

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Illustrationen: Anna Kaufmann (CC-BY-SA-NC)

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