CC 0 Vladimir Kudinov (unsplash)

Freie Liebe

Ein Monolog.

Mit dir, das fing mit einer Zigarette an. Du spieltest auf der Bühne und ich fand dich eigentlich nur spannend wegen deiner Größe und weil du Hosenträger trugst. Nach deinem Konzert sind wir uns nur zufällig in die Arme gelaufen. Es war ein paar Zigaretten später, als wir in meinem Bett lagen. Wir haben geredet und dann auch miteinander geschlafen. Als du dich am nächsten Tag verabschiedet hast, warst du vor allem ein schönes Erlebnis für mich.

Dass wir uns nach ein paar Monaten wieder gesehen haben, war gar nicht geplant. Ich habe dich wieder genossen. Aber verlieben konnte ich mich nicht. Du hast keinen Hehl daraus gemacht, dass du frei sein wolltest. Das war für mich nicht attraktiv. Damals empfand ich diese Eigenschaft von dir als feige.

Von zwei Welten

Ich erinnere mich, wie ich eines Abends bei dir in der Küche saß. Du hast mir aus Osho vorgelesen, der schreibt, dass Beziehungen eigentlich Missbrauch aneinander seien. Denn Liebe habe nichts mit Verpflichtungen zu tun, Liebe sei einfach. Beziehungen seien Sklaverei, auch wenn sie von beiden gewollt seien. Diese Sätze haben mich fast wütend gemacht. Ich war nicht vorbereitet. Ich hatte vor dir nur eine Beziehung gehabt, und die hatte auf diesem „sich brauchen“ basiert. Aber schließlich war ich es, die diese Beziehung damals beendet hatte. Weil ich meinen Freund nicht mehr brauchte und von ihm nicht mehr gebraucht werden wollte.

Eigentlich hätte ich von mir erwartet, dass ich wegrenne vor dir.

Und du. Du hast vollkommen neue Gedanken angestoßen. Eigentlich hätte ich von mir erwartet, dass ich wegrenne vor dir. Ich hätte mich nicht auf etwas einlassen wollen, was mir Angst macht im Herzen. Und Angst gemacht hat mir vieles an dir. Dass du überhaupt nichts Verbindliches möchtest, nur in den Tag hinein leben willst. Doch da war ja auch diese wunderschöne Haltung zur Liebe. Und mit ihr kamen die Fragen auf: Wie weit geht Liebe? Eine Liebe, die allein auf dem beruht, was Menschen im Hier und Jetzt verbindet. In der Freiheit, jederzeit gehen zu können.

Du hast mir nie etwas versprochen, was du nicht bist. Und ich habe deine Gedanken an mich herangelassen, weil ich wollte.

Ich habe oft erlebt, dass sich Menschen im Namen der Liebe allerlei Versprechungen machen. Wie leer diese Versprechungen sein können, denn häufig genug gehen die Verbindungen doch auseinander. Und die Freiheit, zu gehen, besteht ohnehin immer. Wäre es da nicht ehrlicher, schöner, einfach die Liebe sein zu lassen, sie eben nicht an Erwartungen zu knüpfen?

 

Am Anfang war es Neugier

Die Neugier hat mich befähigt, mich auf dich einzulassen. Da war auch diese Anziehung, die darauf beruht, dass du vollkommen Neues in mein Leben gebracht hast, so konträr zu den Vorstellungen, mit denen ich aufgewachsen bin. Es war meine bewusste Entscheidung, mich auf deinen Weg einzulassen. Du hast mir nie etwas versprochen, was du nicht bist. Und ich habe deine Gedanken an mich herangelassen, weil ich wollte. Ganz am Anfang waren wir fest zusammen, in einer monogamen Beziehung sogar. Aber das war zu viel Druck für dich. Du hast dich nicht mehr frei gefühlt, schon allein deswegen, weil wir einander Freund und Freundin waren. Du dachtest, dass du allein deshalb eine bestimmte Rolle erfüllen müsstest.

Also bin ich deinen Weg mitgegangen und habe mich deiner Ehrlichkeit ausgesetzt. Wie oft hatte ich da mit meinen Gefühlen zu tun! Das hat damit angefangen, dass ich es komisch fand, dass du mich so gar nicht brauchst und es mir auch gesagt hast. Richtig beschissen habe ich mich gefühlt, als du mir erzähltest, dass du mit anderen Frauen schläfst. Ich habe das als persönliche Zurückweisung aufgefasst. Eifersucht ist ein schlimmes Gefühl. Es kann das Herz vergiften und den Blick verstellen, auf das, was eigentlich zählt. Aber mit der Zeit habe ich auch zu verstehen gelernt, dass deine Verbindungen mit anderen Menschen rein gar nichts mit mir zu tun haben. Nur weil du in meinem Herzen mehr Platz einnimmst, mich mehr meiner Gedanken mit dir beschäftigen, muss für dich nicht das Gleiche gelten.

Es kommt darauf an, dass ich Liebe in mir trage. Damit habe ich mich auch verabschiedet von dieser Vorstellung, was Liebe zu sein hat.

Ein ständiges Lernen über das Loslassen

Ich habe mir Beziehungen von Freunden angeschaut, die ihre Liebe auch mit Worten, Monogamie, mit Tradition, mit Verbindlichkeit und gemeinsamen Plänen zelebrieren und festigen. Ehrlich: In dunklen Momenten war ich fast wütend, dass du mir das nicht geben konntest. Aber wie fad wäre es gewesen, wenn du es mir zuliebe getan hättest. Natürlich hätten deine Worte und Versprechungen mein Herz viel leichter gemacht, aber ich hätte sie nie einfordern können.
Ab und zu wollte ich auch von dir wissen, ob du mich liebst. Ich habe aber verstehen gelernt, dass es gar nicht so sehr darauf ankommt, dass ich wisse, wie du zu mir stehst. Es kommt darauf an, dass ich Liebe in mir trage. Damit habe ich mich auch verabschiedet von dieser Vorstellung, was Liebe zu sein hat. Es gibt absolut keine Regeln dafür. Es ist schön, wenn wir ab und zu gemeinsame Vorstellungen haben. Aber ich kann nichts tun, wenn das nicht so ist. Es ist ein ständiges Lernen über das Loslassen.

Deine Ehrlichkeit hat schöne und schlimme Gefühle hervorgebracht und so habe ich mich selbst besser kennen gelernt.

Die Verbindung zu mir

In diesen Jahren mit dir habe ich eine unglaubliche Verbindung zu mir selbst aufgebaut. Einfach dadurch, weil du in so vielen Momenten überfordert warst mit mir und ich von dir absolut gar nichts erwarten durfte. Deine Ehrlichkeit hat schöne und schlimme Gefühle hervorgebracht und so habe ich mich selbst besser kennen gelernt. Ich habe verstanden, dass du mein Leben höchstens bereichern kannst und deshalb sorge ich viel besser als früher für mich. Niemals könnte ich von dir erwarten, mich glücklich zu machen. Es hätte nichts mit Liebe zu tun.

Du hast mich immer ermutigt, all die Freiheit, die du dir zugestehst, selbst zu nutzen. Ich weiß, dass ich jeden Tag gehen kann. Du wärest vielleicht traurig darüber, aber niemals böse mit mir und daran hindern würdest du mich auch nie. Wenn ich Wochen unterwegs bin, vermisst du mich nicht. Du hast mich in allem bestärkt, was ich machen wollte. Ich habe enge, liebevolle Verbindungen mit anderen Menschen. Es sind schöne Momente, nicht mehr und nicht weniger. Aber mein Herz habe ich dir geschenkt, vielleicht auch, weil du es nie eingefordert hast.

Es gibt niemals eine Garantie

Was uns verbindet, ist stets die Ehrlichkeit miteinander. Wenn wir an Punkte geraten, an denen etwas zwischen uns steht, sprechen wir miteinander. Da kommt alles auf den Tisch. Die Gespräche waschen alle Erwartungen ab. Wir sitzen dann wie nackt voreinander. Mir kann das wehtun, aber es ist wenigstens ehrlich. Mittlerweile denke ich auch, dass ich ohne diese Ehrlichkeit nicht mehr leben möchte.

Es sind nun sechs Jahre mit dir. Mancher würde wohl sagen, es sei eine Art offene Beziehung. Aber das ist es nicht. Es gibt keinen Deal. Keine Regeln. Es ist eine wunderschöne Verbindung, aber es gibt keine Garantie auf eine gemeinsame Zeit. Dass wir uns immer wieder einen gewissen Abstand bewahren, ist ein Grund dafür, dass unsere Verbindung so lange besteht.

Nun bin ich an einen Punkt gekommen, wo ich auch mal über Familie mit dir nachdenke. Ganz langsam zwar, aber es ist eben da. Ich habe es dir gesagt, immer wieder auch, weil ich dich provozieren wollte. An diesem Punkt ist es schwer für mich, dich einfach sein zu lassen, ohne dieses klare „Ja“ oder „Nein“. Ich möchte Dinge von dir wissen. Und du möchtest einfach wachsen wie ein Baum.

Ich will der Liebe vertrauen

Du hast dich zurückgezogen und ich ertappe mich dabei, wie ich auch wütend auf dich bin, weil du angstgetrieben handelst. Ich weiß, du hast Angst vor der Verantwortung und Angst davor, mir meine Zukunft zu nehmen. Ich könnte auch wütend darüber sein, dass du es mir so schwer machst, obwohl ich so weit mit dir gegangen bin. Aber ich bin es nicht. So eine Rechnung gibt es in der Liebe nicht.

Deine Bedürfnisse haben ihre Berechtigung ebenso wie meine.

Es wäre nicht liebevoll, wenn wir aufgeben, was in sechs Jahren entstanden ist. Aber soll ich jetzt Angst davor haben, dass du Angst hast? Soll ich jetzt meine Erwartungen regieren lassen? Dann hätte ich ja nichts gelernt. Unsere Verbindung soll nicht Angst sein, sondern ehrliche Liebe in Freiheit. Es wäre schön, wenn wir immer wieder zusammenfinden wie beim allerersten Mal. Aber ich habe keine Ahnung. Ich will der Liebe vertrauen.

 

Anmerkung:
Dieser Text erschien zuerst bei Edition F. Anonym bleibt er deshalb, weil es um ein sehr privates Thema geht. In den Kommentaren habe ich hin und wieder lesen dürfen, dass ich unfrei sei. Das bin ich nicht. Ich habe mich bewusst auf etwas eingelassen, das gegen meine Sozialisation verstößt. Die Erfahrungen haben mich freier werden lassen, da ich durch sie eine ganz andere Liebe kennenlernen durfte, vor allem jene zu mir selbst. Es ist herausfordernd, aus Liebe keine Bedingungen abzuleiten, aber es ist ehrlicher. Wenn wir in Liebe zueinander finden, ist das schön. Wenn es Zeit ist, in Liebe loszulassen, ist es das ebenso. Ich denke, das ist Freiheit.

 

Beitragsbild: CC 0 Vladimir Kudinov (unsplash)

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